Bauwerksbegrünung Podiumsdiskussion „Hürden meistern“ – Nachlese zur Podiumsdiskussion
Am 21.Mai 2025 fand in Salzburg in der TriBühne die Podiumsdiskussion Hürden meistern statt.
Vertreter:innen aus Planung, Ausführung, Verwaltung, Forschung plauderten über Erfahrungen und notwendige Maßnahmen in der Zukunft:
- Werner Sellinger, Grünplan GmbH
- Herbert Eipeldauer, Eipeldauer Garten- und Landschaftsbau GmbH
- Verena Hitsch, Allee42 Landschaftsarchitekten GmbH & Co.KG
- Kajetan Steiner, STADT:SALZBURG, Fachbereichsleitung Kanalverwaltung/ Sachverständigendienst
Susanne Formanek, Geschäftsführerin von GRÜNSTATTGRAU, moderierte die Runde und stellte zu Beginn die Frage: „Was war bisher das größte Aha-Erlebnis?“
Damit wurden zahlreiche positive Erfahrungen mit dem Publikum geteilt – von einem starken Willen zur Begrünung bis hin zur Überwindung rechtlicher und technischer Hürden. Es gibt erfreuliche Entwicklungen in Österreich – nicht zuletzt, weil im vergangenen Jahr ein Marktwachstum von 16 % verzeichnet wurde. Einerseits entstehen immer mehr Förderprogramme und politische Zielsetzungen zur Förderung von Grünflächen auf Gebäuden – was sehr begrüßenswert ist. Andererseits sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht immer eindeutig oder praxistauglich. Besonders im Genehmigungsprozess zeigt sich, dass Bauämter sehr unterschiedlich mit dem Thema umgehen.
Das Thema Pflege ist weiterhin omnipräsent. Wird es aber von Anfang an professionell mitgedacht und werden die richtigen Fachleute eingebunden, lassen sich potenzielle Konflikte gut vermeiden. Wo Verantwortlichkeiten unklar sind, zögern viele Bauherr:innen – hier braucht es mehr Aufklärung und verbindliche Standards, die Sicherheit geben.
Die größten Koordinationsprobleme bei der Bauwerksbegrünung sieht die Diskussionsgruppe an den Schnittstellen zwischen Architektur, Fachplanung, Statik und Haustechnik – also genau dort, wo Begrünung nicht von Anfang an als integraler Bestandteil mitgedacht wird. Wird etwa ein Gründach erst spät in der Planung „aufgesetzt“, ohne Statik oder Entwässerungskonzept anzupassen, entstehen massive Reibungsverluste. Auch das Abstellen der Wasserzufuhr kann Pflanzen im frühen Baustadium schädigen. Die Abstimmung zwischen Landschaftsarchitekt:innen, TGA-Planer:innen und Dachdecker:innen ist oft unzureichend geregelt. Wo verlaufen die Gewährleistungsgrenzen? Diese Fragen werden in vielen Projekten zu spät geklärt.
Insgesamt braucht es deutlich mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit – und vor allem: ein frühzeitiges Denken in Systemen, nicht in Einzelgewerken. Nur so lassen sich Bauwerksbegrünungen effizient und nachhaltig umsetzen.
Die häufigsten Gegenargumente zur Bauwerksbegrünung sind nach wie vor wirtschaftlicher oder technischer Natur. An erster Stelle steht das Kostenargument: Viele Bauherr:innen oder Investor:innen befürchten höhere Bau- und Betriebskosten. Begrünung wird dann oft als „Nice-to-have“ betrachtet und bei Budgetdruck schnell gestrichen – obwohl sie mittel- bis langfristig klare ökologische und wirtschaftliche Vorteile bringt, etwa beim Hitzeschutz oder der Regenwasserrückhaltung.
Ein weiteres starkes Gegenargument ist die Sorge vor baulichen Risiken – insbesondere bei Bestandsgebäuden. Oft hören wir: „Die Statik reicht nicht aus“, „Wir befürchten Durchfeuchtungsschäden“ oder „Wer übernimmt im Schadensfall die Haftung?“ Das zeigt, dass viele Entscheidungsträger:innen noch wenig Erfahrung mit professionell umgesetzten Begrünungssystemen haben oder unsicher sind, wie sie das Thema technisch und rechtlich sauber umsetzen sollen.
Und schließlich gibt es ein Haltungsproblem: Begrünung wird manchmal als Dekoration betrachtet – nicht als funktionale Infrastruktur. Solange das so bleibt, wird sie im Zweifel immer der Tiefgarage oder der Wohnfläche untergeordnet.
Genau hier setzen wir an: mit Aufklärung, belastbaren Wirtschaftlichkeitsrechnungen und dem Einbinden erfahrener Fachleute – damit aus Unsicherheit Vertrauen wird.
Der Fachkräftemangel ist ein zentrales Problem in der Bauwerksbegrünung – entlang der gesamten Wertschöpfungskette: von der Planung über die Ausführung bis hin zur Pflege. Es fehlt an spezialisierten Planer:innen, an ausführenden Betrieben mit Know-how in Dach- und Fassadenbegrünung und vor allem an Menschen, die langfristig Pflegearbeiten übernehmen können und wollen.
Gerade die Kombination aus handwerklichem Können, Pflanzenwissen und bautechnischem Verständnis ist selten. Das Berufsbild „Klimagärtner:in“ trifft es sehr gut – aber diese Rolle ist noch nicht flächendeckend etabliert. Wir suchen weiterhin Betriebe, die Lehrstellen anbieten – und natürlich auch Lehrlinge.
Die Ausbildung zur Fachplaner:in ist gut und umfassend – mit Inhalten wie Dachbegrünung, Regenwassermanagement und Biodiversität. Auch Quereinsteiger:innen und Weiterbildungswillige – etwa aus dem Handwerk oder der Gebäudetechnik – können teilnehmen und erhalten sogar Förderungen.
Ist Bauwerksbegrünung wirtschaftlich attraktiv? Die Antwort lautet: Ja – aber nicht immer auf den ersten Blick. Die wirtschaftlichen Vorteile zeigen sich oft mittel- bis langfristig oder indirekt: geringere Gebäudeaufheizung, längere Lebensdauer von Dachabdichtungen, Rückhalt von Regenwasser, bessere Dämmwerte – all das senkt Betriebskosten und steigert den Gebäudewert. Auch im Hinblick auf ESG-Kriterien oder die Vermarktung nachhaltiger Immobilien ist Begrünung ein echter Pluspunkt.
Aber: Viele Entscheidungsträger:innen verlangen weiterhin harte, messbare Zahlen. Also: Amortisationszeiten, Lebenszykluskosten, Fördermöglichkeiten. Dafür braucht es transparente Rechenmodelle und Referenzprojekte, die zeigen: Es rechnet sich – nicht immer sofort, aber verlässlich über die Zeit.
Gleichzeitig dürfen wir die emotionale Dimension und die öffentliche Wahrnehmung nicht unterschätzen. Besonders bei städtischen Projekten oder in der Wohnungswirtschaft wirkt eine gut gestaltete Begrünung identitätsstiftend. Sie schafft Aufenthaltsqualität, verbessert das Mikroklima – und ja: Sie wird gesehen, geteilt, gelobt und damit zum Imagefaktor. Viele Kommunen und Investor:innen nutzen das heute schon gezielt, um Projekte positiv zu positionieren und Akzeptanz zu schaffen.
Deshalb glauben wir: Die wirtschaftliche Attraktivität liegt nicht nur im Euro-pro-Quadratmeter-Vergleich, sondern im ganzheitlichen Mehrwert für Mensch, Klima und Stadtbild. Und dieser Nutzen wird zunehmend zum entscheidenden Argument – gerade in Zeiten von Klimawandel und Flächenversiegelung.
Die Abschlussrunde zeichnete ein Zukunftsbild für das Jahr 2055: grüne Städte, frühzeitig eingebundene Fachleute – Begrünung wird integrativ, technisch fundiert und verantwortungsvoll eingeplant. Dann wird sie vom „Nice-to-have“ zur selbstverständlichen Infrastrukturmaßnahme. Und genau da gehört sie hin, wenn wir unsere Städte klimafit machen wollen.