Vegetationstechnik
Technik
In der Bauwerksbegrünung wird zwischen Dachbegrünung, Fassadenbegrünung und Innenraumbegrünung unterschieden. Erfahre hier, welche Bauweisen es gibt und welche Technik für Dein Projekt zur Anwendung kommen sollte.
DACHBEGRÜNUNG
In den meisten Städten gibt es viele Dachflächen die sich für ein Gründach eignen, aber noch brach liegen. Und auch viele modern errichtete Einfamilienhäuser besitzen ein flaches Dach, dieses Potenzial gilt es zu nutzen. Denn Gründächer haben viele positive Auswirkungen auf das Klima, die Menschen und die Umwelt: sie fördern den Regenwasserrückhalt und entlasten das Kanalnetz. Im Sommer erwirken sie eine Energieeinsparung durch den Kühleffekt und die Verbesserung des Mikroklimas, im Winter wirken sie als zusätzliche Wärmedämmung. Die Lebensdauer der Dachabdichtung wird verlängert, da sie vor UV-Strahlung, Temperaturspitzen und Hagelschlag geschützt wird. Staub und Luftschadstoffe werden gebunden.
Es gibt zwei Arten von Dachbegrünungen. Sie unterscheiden sich durch Aufbauhöhe, Gewicht, Funktion und eingesetzte Pflanzenarten in die extensive und intensive Dachbegrünung:
Extensive Dachbegrünungen
beginnen bei einer Gesamtaufbauhöhe von 8 cm und haben ein geringes Gewicht. Niedrig wachsende Pflanzenarten, zumeist Sedum, Kräuter und Gräser bestimmen das Vegetationsbild. Extensive Dachbegrünungen erfordern geringen Pflegeaufwand. Da sie durch uns meistens nicht genutzt werden, bieten sie einen wertvollen Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Intensive Dachbegrünungen
beginnen ab einer Gesamtaufbauhöhe von 20 cm und haben ein höheres Gewicht. Je nach Aufbauhöhe können fast alle Pflanzenarten eingesetzt werden, bis hin zu Bäumen die mindestens 80 cm Substrathöhe brauchen und gegen Windlasten gesichert werden. Eine intensive Dachbegrünung kann alle Funktionen eines Gartens übernehmen und wird dementsprechend gepflegt und bewässert. Sie wird durch uns natürlich genutzt, beispielsweise zur Erholung, Sport und dem Anbau von Gemüse.
Übrigens: Auf einer intensiven oder auch naturnahe ausgeführten Dachbegrünung können sich bis zu 30 Wildbienenarten tummeln!
Normgerecht begrünt werden können Dächer mit Neigungen von 1,8 % (1°) bis 58 % (30°), wobei ab 9 % Neigung Maßnahmen gegen das Abrutschen von Wurzelschutz und Abdichtung, ab 26 % gegen Abrutschen des gesamten Aufbaues zu setzen sind. Dachbegrünungen außerhalb dieser Gefällespanne sind als Sonderkonstruktionen anzusehen und bedürfen unbedingt einer professionellen Errichtung.
Folgende Dächer sind begrünbar:
Kaltdach
durchlüftete zweischalige Konstruktion, deren obere Schale tragfähig ist
Einschalige Konstruktion ohne Wärmedämmung
Warmdach
einschalige Konstruktion mit Wärmedämmung unter der Abdichtung
Umkehrdach
einschalige Konstruktion mit Wärmedämmung über der Abdichtung
Vegetation: Variiert von bodendeckenden Sukkulenten bis hin zu Sträuchern und Bäumen je nach Aufbauhöhe der Dachbegrünung, die Begrünung ist mittels Ansaat mit Sprossteilen, mit Topf- und Ballenpflanzen bis hin zu vorkultivierten Fertigmatten und Fertigrasen möglich.
Substrat/Vegetationstragschicht: Wurzelraum für die Pflanzen und zur Speicherung von Wasser und Nährstoffen. Die normgerechten Substrate bestehen aus mineralischen offenporigen Schüttstoffen, wie z.B. Tonhartbrand, Blähton, Blähschiefer oder recycelten Ziegelsplitt, welche mit einem variierenden Anteil an organischer Substanz (wie beispielsweise gütegesichertem Kompost) abgemischt werden.
Filterschicht: trennt die Vegetationsschicht von der Dränschicht und verhindert damit das Verschlämmen der Dränschicht durch eingeschwemmte Feinanteile aus der Vegetationstragschicht. Sie besteht aus durchwurzelbaren und wasserdurchlässigen Geotextilien.
Drainage- und Speicherschicht: dient zur kontrollierten Ableitung und auch Speicherung von überschüssigem Wasser und besteht aus mineralischen (Recycling-) Schüttstoffen, Dränmatten, Dränplatten aus Kunststoff oder Dränelemente aus Kunststoff mit und ohne Wasserspeicherfunktion.
Schutzlage: schützt die Dachabdichtung in der Bauphase und darüber hinaus vor Beschädigung.
Zusätzlicher Durchwurzelungsschutz: entfällt, wenn die Dachabdichtung bereits wurzelfest ausgeführt ist.
Dachabdichtung: ist immer normgerecht und wurzelfest ausgeführt.
Dachbegrünungen verfügen immer über mehrere Schichten mit unterschiedlichen Funktionen, wobei das Substrat auch die Funktion der Speicher- und Drainageebene übernehmen kann.
Mit Rutsch- und Schubsicherung kann man nicht nur flache, sondern auch geneigte Dächer begrünen. Wichtige weitere Bestandteile des Daches sind der Kiesstreifen sowie Entwässerungseinrichtungen. Eine wurzelfeste Abdichtung ist Pflicht.
Herkömmliche „Erde“ gibt es in der Dachbegrünung nicht, da das Substrat eine Vielzahl an technischen Anforderungen, wie beispielsweise Wasserrückhaltung und Drainagefähigkeit, aufweisen muss um auch nach 30 Jahren noch immer einwandfrei zu funktionieren.
Dachbegrünungen gleichen vom System her einem Blumentopf und brauchen gerade in der Anfangsphase viele Nährstoffe. Daher aufs Düngen nicht vergessen!
Solargründächer
Eine Sonderform der Dachbegrünung ist das Solargründach, eine Kombination aus Photovoltaikmodulen und einem Gründach. Die integrierte Montagelösung ermöglicht es, dass das Substrat und die Vegetation die notwendige Auflast darstellen, um die Grundkonstruktion der Module zu befestigen. Dadurch ist es nicht notwendig die Dachabdichtung zu durchdringen, um die Montageeinheiten direkt auf dem Dach zu installieren.
Solargründächer werden seit Jahrzehnten auf unterschiedliche Weise realisiert. Diese Kombination hat besondere Vorteile:
- Erhöhung des Wirkungsgrades der Solaranlage
- Erhöhung der Artenvielfalt
- Schutz der Abdichtungsschicht vor thermischer und mechanischer Beanspruchung
- Punktuelle Belastungen können vermieden werden
Die Solarmodule können in verschiedenen Kombinationen angeordnet werden, was eine multifunktionale Nutzung der verfügbaren Fläche ermöglicht. Je nach der zu nutzenden Fläche und der gewünschten Funktion der Grünfläche kann die Anordnung nebeneinander, übereinander (in unterschiedlichen Abständen >20cm) oder vertikal (Bifacial) erfolgen.
Die Dachbegrünung wird in Österreich durch Standards geregelt, in der ÖNORM L1131 – Begrünung von Dächern und Decken auf Bauwerken des Austrian Standards Institute. Produkte, Systemlösungen und Projekte werden durch den Verband für Bauwerksbegrünung mit dem VfB-Gründach Gütesiegel ausgezeichnet, ausführende Betriebe mit dem VfB-Betriebsgütesiegel zertifiziert. Außerdem gibt es mehrere frei zugängliche unterstützende Leitfäden für die Planung, Ausführung und Pflege.
FASSADENBEGRÜNUNG
Verschiedene Fassadenbegrünungen haben unterschiedliche Umsetzungsformen. Grundsätzlich wird zwischen „bodengebundenen“ und „wandgebundenen“ Systemen unterschieden. Außerdem gibt es Unterschiede zwischen Begrünungen mit Kletterpflanzen und Living Walls, die mit Stauden, Gräsern und Kräutern bepflanzt werden.
Einteilung der Kletterpflanzen nach Wuchsform
Bei Kletterpflanzen unterscheidet man zwischen selbstklimmenden Kletterpflanzen wie z.B. Wilder Wein und Gerüstkletterpflanzen, die eine Hilfe zum Klettern benötigen. Je nach Kletterstrategie und Haftorganen kommen unterschiedliche Rankhilfen zum Einsatz.
Tröge für Fassadenbegrünungen haben ähnliche Erfordernisse wie eine Dachbegrünung an die Langlebigkeit und Strukturstabilität des Substrates und werden daher schichtweise aufgebaut. Ein Wasseranstau hilft Wasser zu sparen. Es gibt über 20 verschiedene Kletterpflanzen in unseren Breiten, von denen manchen Arten bis zu 30 m hoch werden können.
Living Walls verfügen fast immer über eine automatische Bewässerung und Nährstoffversorgung und bieten viel optischen Gestaltungsspielraum. Sie werden vorgehängt und hinterlüftet am Haus angebracht. Das System benötigt keinen Bodenkontakt und dämmt das Gebäude.
Über Sensoren und selbstlernende Steuerungen können Fassadenbegrünungen bedarfsgerecht und präzise versorgt werden. Wasserführende Ebenen sind immer vom Gebäude entkoppelt.
Je nach Zugänglichkeit und Begrünungshöhe wird die Pflege mittels Hubgeräten oder Klettertechnik durchgeführt. Pflanzen werden rückgeschnitten und bei Bedarf Nährstoffe eingebracht.
Die Fassadenbegrünung wird in Österreich durch Standards geregelt, in der ÖNORM L1136 – Vertikalbegrünung im Außenraum des Austrian Standards Institute. Die ÖNORM L1136 definiert Bauweisen, Instandhaltung, Wartung und Pflege von Fassadenbegrünungen sowie die Anwendung von Baustoffen und Pflanzen. Der Verband für Bauwerksbegrünung zeichnet ausführende Betriebe im Tätigkeitsfeld Fassadenbegrünung mit dem VfB-Betriebsgütesiegel aus. Außerdem gibt es mehrere frei zugängliche unterstützende Leitfäden für die Planung, Ausführung und Pflege.
INNENRAUMBEGRÜNUNG
Vertikale Innenraumbegrünungen übernehmen zahlreiche Funktionen. Sie tragen zur Raumklimatisierung bei, befeuchten die Luft, binden Stäube, reduzieren Lärm und können gestalterische oder auch raumbildende Strukturen bieten. Außerdem ist die optische Aufwertung als auch die Wohlfahrtswirkung auf uns Menschen gegeben. In einem begrünten Wohn- und Arbeitsumfeld fühlen wir uns einfach wohler, werden produktiver und können uns besser erholen.
Jede Innenraumbegrünung wird gezielt auf die jeweilige Umgebung abgestimmt. Funktion und Nutzung des Raumes, Lichtverhältnisse, Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit sind zu prüfen, um eine fachgerechte Begrünung herzustellen.
Geeignete Pflanzen können beispielsweise Efeutute, Einblatt, Drachenbaum, Philodendron, Grünlilie oder Schefflera sein.
Durch die gezielte Auswahl von Pflanzen mit unterschiedlichen Blattfarben und –strukturen können „Living Walls“ mit individuellen Mustern bis hin zu Logos oder Schriftzügen gestaltet werden.
Wände im Innenraum sind mit immergrünen, meist tropischen Pflanzen begrünt. Sie verfügen fast immer über eine automatische Bewässerung und Nährstoffversorgung und bieten viel optischen Gestaltungsspielraum. Sie können direkt aus der Wasserleitung oder über einen Tank versorgt werden.
Wasserführende Ebenen sind immer von der Wand entkoppelt. Weil grüne Wände im Innenraum keinen extremen Witterungsereignissen standhalten müssen, sind sie meist leichter und durchsichtiger, als die Technologien im Außenraum.
Begrünte Wände im Innenraum sind „erdfrei“ beziehungsweise in Hydrokultur ausgeführt. Manche sind sogar hydroponisch aufgebaut, kommen somit ganz ohne Substrat aus.
Besonders wichtig ist außerdem eine richtig dimensionierte Lichtquelle, die für Pflanzen verfügbares Licht spendet. Pflanzen haben nämlich andere Lichtansprüche als der Mensch, daher muss auf geeignete Leuchtmittel Rücksicht genommen werden. Sie benötigen jedoch auch dunkle Ruhephasen, wie wir. Mittlerweile werden Pflanzen im Innenraum fast ausschließlich mit LED Technologie beleuchtet.
Es gibt auch Kletterpflanzen für den Innenraum, wie beispielsweise Kastanienwein. Er kann auf einem Gerüst über mehrere Geschoße nach oben wachsen.
In und auf Gebäuden werden auch Lebensmittel, von Gemüse über Fisch bis hin zu Pilzen produziert. Der wachsende Trend nennt sich vertical bzw. urban farming und soll in Zukunft helfen, den Flächenanspruch für konventionelle Landwirtschaft drastisch zu senken.
Die Innenraumbegrünung wird in Österreich durch Standards geregelt, in der ÖNORM L1133- Innenraumbegrünung des Austrian Standards Institute. Außerdem gibt es mehrere frei zugängliche unterstützende Leitfäden für die Planung, Ausführung und Pflege.