Wissenschaft

GRÜNSTATTGRAU Reaktion auf den IPCC Report

Über 200 Wissenschafter:innen berechneten, wie CO₂-Emissionen und die Temperaturen erneut angestiegen sind und noch weiter steigen werden: „Wir befinden uns auf der Überholspur zur Klimakatastrophe“

UN-Generalsekretär António Guterres hat den am 04.04.2022 neuen Bericht des Weltklimarats (IPCC) mit den Worten „Wir befinden uns auf der Überholspur zur Klimakatastrophe“ kommentiert.  „Große Städte unter Wasser. Noch nie dagewesene Hitzewellen. Schreckliche Stürme. Weitverbreitete Wasserknappheit. Das Aussterben einer Million Pflanzen- und Tierarten“, so der Generalsekretär. Wir stehen in der Schuld junger Menschen, der Zivilgesellschaft und indigener Gemeinschaften, die Alarm geschlagen und die Politiker zur Verantwortung gezogen haben“.  

Der IPCC-Bericht ist der aktuelle Klimabericht und stellt den neuen Erkenntnisstand zur Entwicklung der Erderwärmung und der Klimakrise dar. Über 200 Wissenschafter:innen berechneten, wie CO₂-Emissionen und die Temperaturen erneut angestiegen sind und noch weiter steigen werden. Der Bericht konzentriert sich auf den Klimaschutz, und zeigt aber auch jedem Sektor umsetzbare und wirtschaftlich seriöse Optionen auf, die es ermöglichen, das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten. So wie die Energiewende mit 3-facher Geschwindigkeit vorangetrieben wird, Investitionen in erneuerbare Energien getätigt werden, muss auch in den Schutz der Wälder und Ökosysteme investiert werden, damit diese erhalten bleiben. Warum? Weil sie das Klima wirksam schützen! D.h. Aufforstung und Umsetzungen von Nature Based Solution können Methan- und CO₂-Emissionen schnell senken. „Jedes Blatt zählt“, so Susanne Formanek, Geschäftsführerin von dem vom BMK geförderten Innovationslabor GRÜNSTATTGRAU. „Bauwerksbegrünungen, wie Dachbegrünungen und Fassadenbegrünungen zählen zu NBS Nature Based Solution, die großflächig versiegelten Flächen entgegenwirken. Was passiert, wenn wir weiterhin versiegeln, verbauen, fossile Rohstoffe verwenden und Ressourcen verschwenden und keine Klimawandelanpassungsmaßnahmen umsetzen:

Dann steuern wir auf eine Erwärmung von 3,2°C zu, es werden sich Extremwettersituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder hitzebedingte Krankheits- und Todesfälle massiv erhöhen. Die Größe der Schäden ist bereits seit der Veröffentlichung der COINSTUDIE des „Wegener Centers“ zu den Kosten des Nicht-Handelns im Bereich des Klimaschutzes (COIN – Cost of Inaction) im Jahr 2020 bekannt: Bis Mitte des Jahrhunderts werden Schäden zum Beispiel durch Dürre, Borkenkäfer, Hochwasser und Hitzewellen, Verlust an Artenvielfalt im Ausmaß von bis zu zwölf Mrd. Euro erwartet. Bislang war man von Schäden von bis zu 8,8 Mrd. Euro pro Jahr ausgegangen. Bis 2030 müssen die CO₂ -Emissionen um 45%, die Methanemissionen um 34% sinken. Netto-Null CO₂ muss 2050 erreicht werden, so der Bericht, wenn wir die Schäden im Zaun halten wollen.  

Wir wissen welche Maßnahmen wirksam sind und welche Technologien eingesetzt werden können. Wir müssen sie nur anwenden!  Neben der Reduktion des CO₂-Ausstoßes, kann auch die CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) unterstützen, um die Treibhausgas-Emissionen zu kompensieren und netto-null und Klimaneutralität zu erreichen. Pflanzen, Aufforstung und Bodenmanagement sind hierzu auch bewährte Methoden. Daher plädieren wir für die Begrünung der Gebäude und ihrer Umgebung. Jeder Liter Niederschlagswasser, den wir auf oder an unseren Gebäuden zurückhalten, entlastet nicht nur die Kanalisation, sondern kühlt unsere Umgebung. Dafür müssen wir keine zusätzliche Energie aufwenden – im Gegenteil: Wir verbrauchen mit unseren Bepflanzungen die Sonnenenergie, die unsere Städte andernfalls zusätzlich aufheizt. Und auch die Kombination mit erneuerbaren Energien, wie das Solargründach oder der PV Dachgarten, ist seit Jahren eine gut akzeptierte und eingesetzte Technologie.  

An jedem Rädchen drehen, jeder und jede muss aktiv werden!  

Wohlüberlegte städtebauliche Struktur, Ausnutzen der Winde, Beschattungen sowie urbane grüne und blaue Infrastruktur, also Grünpflanzen und Wasser zur Abkühlung, spielen in der Zukunft einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion von urbanen Hitzeinseln. 

Städten kommt dabei eine wichtige Rolle zu: Bauwerke der Menschen, bedecken den Boden undurchlässig, führen zur Bodenversiegelung und die Massen speichern Wärme. Das bedeutet, dass der Boden keinen Niederschlag mehr aufnehmen kann und viele der dort normalerweise ablaufenden Prozesse gestoppt werden. Der Lebensraum für Bodenlebewesen und Pflanzen geht verloren. Laut WWF verschwindet in Österreich täglich der Lebensraum von über 11 Millionen Regenwürmern! Das Fehlen von Versickerungsfläche erhöht aber auch die Hochwassergefahr. Dabei steigen die Grundwasserbelastung und Stoffkonzentration, da bei punktueller rascher Versickerung des Niederschlages weniger Schadstoffe im Boden gefiltert werden. Der natürliche Wasserkreislauf ist gestört.  

Ein Großteil der österreichischen Großstädte ist bereits Partner bei GRÜNSTATTGRAU und sucht wie insgesamt mehr als 300 Partne:irInnen Unterstützung bei unserem Innovationslabor. Der erste Österreichische GREENMARKETREPORT mit der großen Städtebefragung demonstriert die Möglichkeiten der Nutzung von Nature Based Solutions.  

Bauwerksbegrünung ist ein wesentlicher Baustein zur Klimawandelanpassung sowie zum Klimaschutz und schafft ein attraktives urbanes Umfeld. Begrünungen müssen daher ein selbstverständliches Instrument in der Stadtentwicklung werden, um Städte zu schaffen, in denen wir auch in Zukunft noch gerne leben! 

Im Bereich der Bauwerksbegrünung existiert bereits eine Vielzahl an Varianten & Einsatzmöglichkeiten

Grüne und Blaue Infrastruktur und naturbasierte Lösungen sind in den ansteigenden Sanierungssituation urbaner, dicht verbauter Gebiete aufgrund der strukturellen Gegebenheiten technologisch oft dem Kreis der Bauwerksbegrünung zuzurechnen. Darunter fallen Dach- und Fassadenbegrünungen, Tiefgaragenbegrünungen, die Begrünung sonstiger Bauwerke, Sekundär-Begrünungen von Verkehrsinfrastrukturen, versickerungsoffene Wegebefestigungen, Pocket Gardens, Regengärten, Urban Production, Mining, Farming- und Gardening-Aktivitäten sowie andere technische Anwendungsfälle im Kontext des gezielten Einsatzes von Substraten und Pflanzen. (Link BMK Stadttechnologie Poster).

Viele europäische Städte setzen bereits auf Dach- und Fassadenbegrünungen. Die ältesten Förderprogramme und Vorgaben sind in Deutschland und in der Schweiz zu finden (beispielweise Stuttgart, Berlin, Zürich). Besonders erwähnenswert ist auch die Stadt London, die Dachflächen als integralen Bestandteil der Förderung von Biodiversität und Artenvielfalt deklariert. Mit ihrem „Cloudburst Management Plan“ adressiert die Stadt Kopenhagen bereits seit 2015 Dachbegrünungsmaßnahmen im Neubau- und Sanierungsbereich. Aber auch in Österreich gibt es Vorreiterstädte, wie Wien oder Wieselburg, mit maßgeschneiderten Förderprogrammen.

Die Stadt Wien schüttet Förderungen für Dachbegrünungen aus, die auf die Substrathöhe abgestimmt sind. Jeder cm Substrat ermöglicht eine bessere Biodiversitätsentfaltung. Die Anzahl der Städte, die Begrünungsförderungen einsetzen steigt und kann auf der Webseite Förderungen – GRÜNSTATTGRAU (gruenstattgrau.at) nachgelesen werden.

Wirkungen von Bauwerkbegrünungen verstehen und anwenden

 

Reduktion von Hitze

Dach- und Fassadenbegrünungen ermöglichen Verdunstungskühlung, es kommt zu einer Erhöhung der Luftfeuchte und zusätzlich werden Gebäudeteile verschattet. Dies reduziert den sogenannten Urban Heat Island Effekt. Gründächer verdunsten je nach Wasserverfügbarkeit jährlich über 400 l/m² (Cirkel et al., 2018) und kühlen so die Umgebung. Fassadenbegrünungen verdunsten in der Vegetationsperiode zwischen ca. 2-15 l/m² am Tag (Pitha, U. et al., 2012). Diese Kühlleistung führt bei Gründächern zu einer durchschnittlichen Reduktion der Umgebungstemperatur von 1,34 °C bei Fassadenbegrünungen von 1,37 °C (Manso et al., 2021). Simulationen demonstrieren, dass Fassadenbegrünungen die gefühlte Temperatur in ihrer Umgebung um bis zu 13 °C senken können (Progreencity, 2014). Durch eine Bewässerung mit Regenwasser kann die Verdunstung und damit die Kühlleistung auch in Trockenzeiten aufrecht gehalten werden.

Wasserhaushalt aufrecht halten

Bauwerksbegrünungen halten Wasser zurück (Retention) und können so den direkten Abfluss von Niederschlagswasser verringern und damit wieder die Verdunstungsleistung von städtisch bebauten Flächen erhöhen. Zusätzlich können Zisternen oder Retentionsräumen eingesetzt werden, und die positiven Effekte verstärkt werden. So kann der urbane Wasserhaushalt an natürliche Verhältnisse angenähert werden. Dach- und Fassadenbegrünung tragen als notwendige Infrastruktur dazu bei, Niederschlag als Wasserressource nutzbar zu machen.

Überflutungsverhinderung

Extremwetterereignisse steigen und das Wasser kann durch die Versiegelungen nicht aufgenommen werden. Blätter, Subtrat und Systemaufbauten können den größten Teil des Wassers aufnehmen, und es speichern. Es kommt zu einer verzögerten Abgabe der restlichen Wassermengen, womit die Kanalisation entlastet und das Risiko von Überschwemmungen gemindert wird. Extensive Gründächer bewirken durchschnittlich eine Reduktion des Regenwasserabflusses um 58 %, Intensivgründächer sogar um 79 %. Auch der Spitzenabfluss wird durch Extensivgründächer um durchschnittlich 71 % gemindert (Manso et al., 2021). Fassadenbegrünungen weisen können Niederschlägen auf der „Oberfläche“ der Vegetation abfangen (Tiwary et al., 2018). Solche Effekte können durch technische Anpassungen wie Erhöhung der Substratauflagen, Drosselung von Abflüssen (Retentionsgründächer) und Schaffung von zusätzlichen Speicherräumen (Zisternen) verstärkt werden.

Grünen Stadtbild und der Lebensqualität steigern

Blühende Vegetation wird als schön empfunden (Lee et al., 2014). Neben den positiven Effekten auf das Stadtklima und der Luftqualität haben Bauwerksbegrünungen einen positiven gestalterischen Aspekt auf die Wahrnehmung städtischer Räume und können das Stadtbild prägen. Garagen erhalten durch Gebäudebegrünungen (begehbare Dachbegrünungen) auch eine zusätzliche Nutzungsfunktion.

Gesundheitsvorsorge. Physisch und psychisch

Dach- und Fassadenbegrünungen haben einen positiven Einfluss sowohl auf die physische als auch auf die psychische Gesundheit: Patienten medizinischer Einrichtungen genesen schneller mit Blick auf Grünflächen (Ulrich, 1984) und grundsätzlich ist die Sterblichkeit in Wohngebieten mit hohem Grünanteil geringer (Mitchell & Popham, 2008). Darüber hinaus reduziert Vegetation Stress und fördert Aufmerksamkeit (Lee et al., 2015).

Erhalt der Artenvielfalt und Förderung der Biodiversität

Ein größeres Nahrungsangebot in Form von Blütenpflanzen führt auch zu einer höheren Artenzahl und Populationsdichte von Bienen (Kratschmer et al., 2018). Bauwerksbegrünungen fördern die urbane Artenvielfalt, indem sie Habitat und Nahrung für eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten bieten. Insbesondere flugfähige Tiere, wie Insekten und Vögel, profitieren von den begrünten Flächen. So können Gründächer über 100 verschiedene Arten beherbergen (MacIvor & Lundholm, 2011; Braker et al., 2014). Die Artenvielfalt ist im Vergleich zu Extensivgründächern tendenziell höher auf Intensivgründächern (Coffmann & Waite, 2011). Bauwerksbegrünung dienen damit als Ersatzbiotope, die versiegelte und bebaute Bodenflächen zu einem Teil ersetzen können. Durch mehrere solcher Biotope in Städten kann ein Netzwerk aus Trittsteinen bzw. Biotopen entstehen, das wiederum die Gesamtartenvielfalt in und zwischen den Einzelbiotopen steigert. Dann sprechen wir von einer grünen Infrastruktur.

Verbesserung der Luftqualität

Gebäudebegrünungen verbessern die städtische Luftqualität durch Filterung und Feinstaubbindung an Blattoberflächen und durch Sauerstoffanreicherung mittels Photosynthese. Sedum-Pflanzen können etwa 10-30 %Feinstaub im Größenrahmen 0,3-5 µ aus der Luft filtern (Gorbachevskaya & Herfort, 2012). Feinstaub kleiner 10 µm wird von Fassadenbegrünungen um ca. 42-60 % reduziert (Pugh et al., 2012; Jayasooriya et al., 2017). Stickoxide werden durch Dachbegrünungen um 29 % und bei Fassadenbegrünungen um 11,7 – 40 % vermindert (Manso et al., 2021).

Lärmminderung

Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass bereits extensiv begrünte Dächer mit einer dünnen Substratschicht eine Lärmminderung in darunterliegenden Innenräumen bewirken. Dabei liegt die Reduktion des Schalls zwischen 5 und 20 dB (Manso et al., 2021). Fassadenbegrünungen erreichen ein Schalldämmmaß von 22 dB (Kloster et al., 2021). Der Lärm im umgebenden urbanen Raum wird sowohl durch Dachbegrünungen als auch Fassadenbegrünungen um bis zu ca. 10 dB reduziert (Manso et al., 2021).

Energieeinsparung. Dämmung, Kühlung und Verschattung

Bauwerksbegrünungen zählen zu den sogenannten passiven Maßnahmen und können den Energieverbrauch helfen zu reduzieren. Die synergetischen Maßnahmen führen im Winter zu Energieeinsparung von maximal 8 % auf bereits isolierten Dächern, intensive Gründächer von maximal 10 %. Im Sommer können Gründächer jedoch bis zu 84 % Energie einsparen. Je dicker die Substratschicht, desto größer ist die Dämmleistung (Zirkelbach & Schafaczek, 2013). Fassadenbegrünungen reduzieren die solare Einstrahlung auf die Gebäudehülle um ca. 85-100 % (Pfoser, 2016) und wirken damit einer Aufheizung entgegen. Auf diese Weise entstehen mit pflanzlichem Sonnenschutz Kühlkostenersparnisse von ca. 43 % (Ottelé, 2011). Der U-Wert kann bei wandgebundenen Fassadenbegrünungssystemen um ca. 22 % verbessert werden (ZAE Bayern, 2018). Insbesondere bei Bestandsgebäuden mit schlechter Dämmleistung können Gebäudebegrünungen zu einer starken Energieeinsparung und somit indirekten Senkung von CO₂-Emissionen beitragen.

Bauwerksbegrünung und Erneuerbare Energie

Die Kombinationen sind eine langjährige Technologie. Bei fachlich korrekter Ausführung ist Bauwerksbegrünung mit Photovoltaik hervorragend kombinierbar. Die Verdunstungskühlung der Pflanzen das Aufheizen der PV-Module verringern und so eine Steigerung des Energieertrags um etwa 2,6 % bewirken (Manso et al., 2021). Darüber hinaus entstehen unter den Photovoltaikmodulen auch neue Lebensraum-Nischen für Tiere (Nash et al., 2016).

Reduktion von CO₂

Extensive Gründächer nehmen pro m² und Jahr ca. 0,5 kg CO₂ auf (Heusinger & Weber, 2017; Getter et al., 2009). Des Weiteren ergeben sich wesentliche indirekte CO₂-Einsparungen durch Begrünungen von Gebäuden, z. B. in Form von Energieeinsparungen (siehe Punkt 9.). Durch die neuen EU-Taxonomie bzw. ESG können Nachweise der CO2 Einsparung zu verbesserten Konditionen führen.

Nutzung der Natur 

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